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Jetzt die Zukunft des Rheinischen Reviers gemeinsam gestalten

6. Entwicklungskonferenz
Zusammensetzung und Verlauf der 6. Entwicklungskonferenz am 30. August 2024 in Erkelenz zeigten, dass der regionale Strukturwandel in eine neue Etappe tritt
Datum:
3. Sept. 2024
Von:
Thomas Hohenschue

Der Diskurs über den Strukturwandel im Rheinischen Revier tritt in eine neue Etappe. Es wird nicht länger darüber gestritten, wie lange Kohleflöze ausgebeutet und welche Dörfer abgerissen werden. Mit den Entscheidungen darüber ist der Rahmen gesetzt, innerhalb dessen sich jetzt konstruktiv Interessen ausgleichen und Konflikte überwinden lassen.

Mit dieser Haltung trafen sich am 30. August 2024 rund 100 Menschen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zur 6. Entwicklungskonferenz in Erkelenz. Dass sich diesmal Bürgermeister an den Beratungen beteiligten, wertete das Netzwerk von kirchlichen, gewerkschaftlichen und verbandlichen Initiativen als Ausdruck der neuen Etappe.

 

Alte Gräben hinter sich lassen

Miteinander reden, nicht übereinander: Das tut Not und es tut gut. Jahrzehntelange, vielfach verknotete Konflikte um die Zeit nach Stein- und jetzt Braunkohle aufzulösen, braucht viele Gespräche und die Bereitschaft, Gräben zu verlassen. Das Netzwerk hat diese Übung in den letzten zwei Jahren vollzogen, sich ein gemeinsames Selbstverständnis erarbeitet.

Das war alles andere als einfach, bekannten Redner zu Beginn der Entwicklungskonferenz. Denn auch im Netzwerk sind viele Blickwinkel und Interessen vertreten. Bei der internen Verständigung galt es, Forderungen nach guter und sicherer Arbeit, neuen Industrieansiedlungen, Klima-, Umwelt- und Naturschutz, sozialen Zusammenhalt und lebendiger Kultur zu verbinden.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn das Grundsatzpapier „Revier WIRd Region“ naturgemäß nur einen Bezugsrahmen darstellt, nicht einen konkreten Aktionsplan abbildet. Der wiederum soll in einem möglichst breit aufgesetzten Diskurs entwickelt werden, zusammen mit allen Akteuren im Strukturwandel, zusammen mit Bevölkerung und Zivilgesellschaft.

 

Freiwerdende Flächen nachhaltig entwickeln

Erste Schneisen in eine solche partizipative Zukunft schlug die Entwicklungskonferenz. Sie hatte als Teilthema die Frage gestellt, wie mit freiwerdenden Flächen im Braunkohlerevier umzugehen ist. Hier stoßen viele starke Interessen aufeinander, wie klassische Industriepolitik, Ausweisung von Gewerbe- und Baugebieten, Stärkung von Klimaschutz und Förderung der Biodiversität.

Als gemeinsamer Bezugspunkt bei allen strukturpolitischen Maßnahmen steht die verbindliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu verfolgen. Das gilt auch für die Lösung der Flächenfrage im Rheinischen Revier. Was nach einer Bürde klingt, birgt jedoch vielmehr die Chance, sich zur Modellregion aufzuschwingen.

Wie es gehen kann, zeigte eine Annäherung bei der Entwicklungskonferenz. Das ökologische Projekt eines Biotopverbundes steht im Konflikt mit dem Interesse, die fruchtbaren Böden im Revier landwirtschaftlich bestmöglich zu nutzen. Ein Einvernehmen könnte erzielt werden, indem man Ökosysteme verbindet, ohne dort gleich die höchste Schutzstufe auszurufen.

 

Kompromisse breit diskutieren und gemeinsam tragen

Eine solche Kompromisslinie, die dem gemeinsamen Ziel einer Förderung der Biodiversität dient, könnte Blaupause für viele konkrete Problemstellungen sein. Ohne Gewerbegebiete geht es zum Beispiel sicher nicht, aber die alte Forderung nach interkommunaler Zusammenarbeit könnte helfen, dabei wenig Ressourcen zu verbrauchen und Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Das Netzwerk der Entwicklungskonferenz will solche Aushandlungen, die Zivilgesellschaft und Bevölkerung einbeziehen, verstärken. Es gibt den erklärten Willen, eine solche Partizipation zu fördern. Am Horizont tauchen wichtige Fragen auf, zum Beispiel die Zuteilung von Wasser. Es wird in allen Bereichen gebraucht, aber es wird weniger werden. Lasst uns darüber reden!

 

Zitate

„Wie dieses Netzwerk der Entwicklungskonferenz Lösungen vordiskutiert, ist vorbildlich und von unschätzbarem Wert für diese Region.“ Viktor Haase, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen

„Wir haben jetzt die Chance, die Region zu gestalten. Alles, was wir dabei überlegen, muss in Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen stehen.“ Jens Sannig, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Jülich

„Wir wollen alle eine Rheinische Region, in der wir gut und gerne leben und arbeiten. Der Weg dahin ist ein langer. Zusammenarbeit ist ein Entwicklungsprozess.“ Ralf Woelk, Geschäftsführer DGB Region NRW Süd-West

„Es ist hervorragend zu sehen, dass wir an den wichtigsten Fragen zusammen dran sind. Wir entwickeln hier Verständnis für andere Sichtweisen. Und das ist die Basis für Kompromisse.“ Dr Gunter Schaible, Geschäftsführer International, Verkehr und Handel der IHK Aachen

„Wir müssen aus dem Expertenmodus heraus und dahin gehen, wo es wehtut. Wir müssen mit den Menschen über die schwierigen Themen und ihre Ängste und Sorgen reden.“ Manfred Maresch, DGB-Projekt Revierwende

Impressionen von der 6. Entwicklungskonferenz - August 2024

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