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Berichterstattung:Eine Bürgerbeteiligung, die diesen Namen verdient, findet zurzeit nicht statt

2023-10 NBH thh Maren Krätzschmar bei RevierDialogen
Die jüngste Ausgabe der RevierDialoge setzte sich kritisch mit der Partizipation im regionalen Strukturwandel auseinander. Fazit: Es braucht Verständigung und Schulterschluss auf kommunaler Ebene.
Datum:
12. Okt. 2023
Von:
Berichterstattung Thomas Hohenschue

In den nächsten Jahren und Jahrzehnten verändert sich das Rheinische Revier erheblich. Es gibt im Zuge des Kohleausstiegs 2030 dafür Geld in Milliardenhöhe. Das Projekt steht unter gewaltigem Zeitdruck. Aber wer gestaltet diesen Strukturwandel? Wird die Zivilgesellschaft angemessen einbezogen?

Maren Krätzschmar forscht an der Uni Münster und der Technischen Hochschule Köln über genau solche Fragen. Und kommt zu einem ernüchternden Fazit: Wenn man mit dem Wort „Beteiligung“ die Mitwirkung an Entscheidungen meint, gibt es keine Beteiligung der Zivilgesellschaft am Strukturwandel des Rheinischen Reviers. Vielmehr beschränkt sich die Partizipation auf bloße Information, punktuelle Konsultation, maximal auf kontrollierte Integration in Begleitgremien.

Die Politikwissenschaftlerin skizzierte ihr Verständnis von zivilgesellschaftlicher Beteiligung am 12. Oktober 2023 in Erkelenz, im Rahmen der RevierDialoge. Diese Veranstaltungen fördern eine öffentliche Verständigung zur demokratischen Ausgestaltung des Strukturwandels im Rheinischen Revier. Träger ist ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Initiativen der Region.

Die Notwendigkeit, sich zu verständigen, fängt bereits im Netzwerk selbst und möglichen Partnern auf kommunaler Ebene an. Das zeigte sich in Erkelenz: In der Analyse waren sich alle Anwesenden einig. Die Landesregierung dominiere die Steuerung des Strukturwandels, verenge den Blick auf ökonomische Aspekte, reduziere den Kreis der Mitwirkenden auf große institutionelle Akteure. Auch die Interessen des RWE-Konzerns kämen zum Zuge.

Aber ein wirklich wirksamer Schulterschluss zwischen den marginalisierten Gruppen, etwa Umwelt- und Sozialverbänden, Bürgerinitiativen und der Kommunalpolitik, bleibt noch aus. Es sind einige Hürden zu überwinden, die in unterschiedlichen Demokratieverständnissen fußen. Maren Krätzschmar hatte eingangs den Interessenkonflikt umrissen: Liegt alles klassisch in den Händen gewählter Volksvertretungen oder geht Partizipation heute weiter?

Superintendent Jens Sannig baute Brücken beim offenen Dissens. Und berichtete, dass die Zivilgesellschaft sich schon seit dem Aufkommen von Bürgerinitiativen immer wieder ihre Bedingungen und Erfolge erkämpfen musste. So war es nach dem Ende der Steinkohle im Revier, so ist es heute mit Blick auf den vorgezogenen Braunkohleausstieg. Das Fazit: Echte Partizipation sei auch heute nicht erwünscht von denen, die Macht abgeben müssen.

Aber die Gesellschaft hat sich gewandelt und mit ihr der Anspruch an staatliche Institutionen, die Zivilgesellschaft einzubeziehen. Die Planungspraxis ändert sich erheblich, zum Beispiel auf kommunaler Ebene. Bislang bleibt beim Strukturwandel des Rheinischen Reviers die Partizipation ein Lippenbekenntnis, hineingegossen in Papiere. In den Beteiligungsformaten und in den Begleitgremien des Großprojektes wird es nicht gelebt. Der Protest gegen diesen Missstand braucht mehr Schulterschluss und mehr Schlagkraft, um durchzudringen.